Präventions- und Schutzkonzept

Präventions- und Schutzkonzept zur Vermeidung interpersoneller Gewalt 
für den SBM

Inhaltsverzeichnis

1 Ausgangssituation

Es gibt kaum ein Thema neben dem des sexuellen Missbrauchs von Kindern, dass in den letzten Jahren in der medialen Berichtserstattung gleichermaßen präsent war. Man könnte meinen, der sexuelle Missbrauch nimmt stetig zu. Befasst man sich mit dem Thema genauer, reift die Vermutung, die Zahlen steigen auch aufgrund anwachsender Anzeigebereitschaft in der Bevölkerung. Sexualität ist ein sensibles Thema, das in den vergangenen Jahrzehnten oft im öffentlichen und privaten Umfeld tabuisiert wurde.

Der sexuelle Missbrauch ist ein Thema, dessen Existenz oft negiert oder abgestritten wird. Täter und Täterinnen hatten es in der Vergangenheit einfach, weil zu wenig hingeschaut und angesprochen wurde. Zudem findet sexueller Missbrauch häufig in den Kreisen statt, in denen sich das Kind im Alltag bewegt: in der Familie, im direkten sozialen Umfeld oder in Einrichtungen, die ein Kind besucht. In den letzten Jahren wurde die Bevölkerung offener und der sexuelle Missbrauch in den Medien präsenter. Endlich wird vermehrt hingeschaut, Verhaltensveränderungen eines Kindes wahrgenommen und zugehört.

Die 2022 in Kraft getretene Novelle des Kinder- und Jugendgesetzes hat auch für den Sport grundlegende Konsequenzen. Mit den §§ 72 a SGB VIII (Tätigkeitsausschluss einschlägig vorbestrafter Personen) und 79 a (Qualitätsentwicklung in der Kinder- und Jugendhilfe) trifft der Landessportverband mit jedem landesweit tätigen Sportfachverband, der öffentliche Mittel bezieht, eine Vereinbarung mit dem Ziel des bestmöglichen Schutzes von Kindern und Jugendlichen vor Kindeswohlgefährdung und sexualisierter Gewalt. Präventions- und Schutzkonzepte sollen erarbeitet werde. Erweiterte polizeiliche Führungszeugnisse der hauptberuflichen und ehrenamtlichen Mitarbeiter/-innen, die mit der Betreuung von Kindern und Jugendlichen beauftragt sind, sollen eingesehen werden. Der Anfang des Jahres 2019 aufgedeckte Missbrauchsfall im Olympiateam der amerikanischen Kunstturnerinnen zeigte, dass sexualisierte Gewalt in Sportvereinen durchaus und vermutlich häufiger vorkommt, als allgemein angenommen wird.

Der SBM möchte bei der Initiative des Landessportbundes NRW „Schweigen schützt die Falschen“ mitwirken und unterstützt die Initiative des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs „Kein Raum für Missbrauch“.

 

2 Sexualisierte Gewalt

2.1 Definition sexueller Missbrauch und sexualisierte Gewalt

„Sexueller Missbrauch von Kindern ist jede sexuelle Handlung, die an oder vor einem Kind entweder gegen den Willen des Kindes vorgenommen wird oder der das Kind auf Grund körperlicher, seelischer, geistiger oder sprachlicher Unterlegenheit nicht wissentlich zustimmen kann“. Die Täter/-innen nutzen eine Machtposition aus, um eigene Bedürfnisse zu befriedigen. Kinder sind immer in der unterlegenden Position und können nicht zustimmen. Auch wenn das Kind sexuellen Handlungen zustimmt, ist ein Missbrauch vollendet.

Der sexuelle Missbrauch von Kindern findet sich im Strafgesetzbuch im §176 StGB wieder. Die sexuellen Handlungen, die Kinder an einem Täter, einer Täterin oder an Dritten vornehmen müssen sowie das Einwirken durch Kinderpornografie, zählen ebenfalls zum Missbrauch.

Der § 174 StGB befasst sich mit dem sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen. Mit der Rechtsnorm werden Jugendliche unter 16 Jahre, die einer Person zur Erziehung, Ausbildung oder zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut wurden, vor sexuellen Handlungen geschützt. Auch Trainer/-innen und Betreuer/-innen in einem Sportverein zählen zu diesem Personenkreis. Wenn die Jugendlichen in einem Obhut- oder Abhängigkeitsverhältnis sind, sind sie durch diese Norm bis zum 18. Lebensjahr geschützt. Wenn keine der genannten Abhängigkeiten bestehen, jedoch eine Zwangslage ausgenutzt oder Geld für sexuelle Handlungen bezahlt wird, schützt der §182 StGB vor dem sexuellen Missbrauch von Jugendlichen.

In der Öffentlichkeit wird häufig von sexuellem Missbrauch oder von sexualisierter Gewalt gesprochen. Der Begriff „Missbrauch“ ist umstritten, da er den Eindruck erweckt, es gäbe einen „angemessenen Gebrauch“, also auch erlaubte sexuelle Handlungen an Kindern. Dieses wird jedoch lediglich von Tätern und Täterinnen behauptet. Eine erlaubte Sexualität mit Kindern gibt es nicht. Aus diesem Grund wird immer häufiger von „sexualisierter Gewalt“ gesprochen. Der Begriff „sexualisierte Gewalt“ hat sich in den letzten Jahren in der Fachöffentlichkeit durchgesetzt und schließt Begriffe wie „sexuellen Missbrauch“ und „sexuellen Übergriff“ ein.

Von „Sexualisierter Gewalt“ wird immer dann gesprochen, wenn ein Erwachsener, ein Jugendlicher oder auch ein Kind ein Mädchen oder Jungen dazu benutzt, die eigenen Bedürfnisse mittels sexualisierter Gewalt auszuleben. Dies kann gegen den Willen des Kindes und durch Worte, Gesten, Bilder oder Handlungen geschehen. Mal findet Körperkontakt statt, mal nicht. Der Begriff „Sexualisierte Gewalt“ verdeutlicht, dass bei den Taten Sexualität benutzt wird, um Gewalt auszuüben.

2.2 Signale und Anzeichen für erlebte sexualisierte Gewalt

Kinder und Jugendliche sind in der Lage zwischen einer körperlichen Berührung, die einen freundschaftlichen und sportlichen Hintergrund hat, und einer Berührung mit sexuellem Zusammenhang zu differenzieren. Die erlebten Ereignisse können nicht allein verarbeitet werden, sie wirken auf die Kinder und Jugendlichen traumatisierend. Sie reagieren häufig überfordert und sind darauf angewiesen, dass die Erwachsenen Signale bei den Kindern und Jugendlichen erkennen. Diese Signale sind häufig nicht auf den ersten Blick erkennbar und verlangen den Erwachsenen eine stetige Beobachtung ab, um sie wahrnehmen zu können.

Nur selten sind Verletzungen im Genital- oder Analbereich erkennbar, die direkt auf einen Missbrauch hindeuten. Opfer von Gewalt haben häufig Albträume, Schlafstörungen oder reagieren auf Situationen auf eine extremere Weise, als es die Situation eigentlich hergibt. Sie haben Angst und fühlen sich hilflos und ohnmächtig. Extreme Müdigkeit, übertriebene Wachsamkeit, Reizbarkeit, Aggressivität oder auch sexualisiertes Verhalten könnten ebenfalls Signale sein. Die Kinder und Jugendlichen können sich extrem zurückziehen, fügen sich selbst Verletzungen zu oder zeigen Suchttendenzen. Diese Suchttendenzen können sich beispielsweise in der Zu-oder Abnahme von Gewicht oder plötzlichem Drogen- und Alkoholkonsum widerspiegeln. Häufige geistige Abwesenheit oder auffällige Erinnerungslücken können ebenfalls Signale sein.

Die Kinder und Jugendlichen schämen sich und fühlen sich häufig schuldig. Oftmals haben sie von sich aus dem Täter/-in etwas Persönliches preisgegeben oder Nähe gesucht. Sie denken etwas falsch gemacht zu haben und vertrauen sich Erwachsenen nicht an. Nicht selten wird von Täterseite aus mit etwas gedroht, falls das Kind oder der Jugendliche etwas erzählt.

Insgesamt kann weniger von typischen Symptomen in Verbindung mit sexualisierter Gewalt gesprochen werden. Symptome müssen nicht unmittelbar nach dem Übergriff, sondern können deutlich später auftreten. Jede Verhaltensänderung eines Kindes oder Jugendlichen sollte vorerst beobachtet und stetig hinterfragt werden.

 

3 Zielsetzung

Interpersonelle Gewalt kann in jedem gesellschaftlichen Bereich stattfinden, somit auch in Sportvereinen. Um die Kinder und Jugendlichen bestmöglich zu schützen, will der SBM seine haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter/-innen weiter für das Thema sensibilisieren. Der SBM will darüber aufklären, wie Signale für interpersonelle Gewalt festgestellt, wie Gefahrensituationen vermieden werden können und welche Handlungsstrategien im Konfliktfall anzuwenden sind.

Im Ergebnis wünscht sich der Verband, dass bestehende Verdachtsfälle interpersoneller Gewalt ausgesprochen werden. Zu Schweigen schützt nur die Verdächtigen und hilft nicht den Opfern. Wir hoffen zudem, dass die nachfolgend beschriebenen präventiven Maßnahmen Erfolg haben und die Fälle interpersoneller Gewalt so gering wie möglich gehalten werden können.

 

4. Risikoanalyse im Sport

Die Täter/-innen suchen bei den Kindern und Jugendlichen nach Verletzlichkeit und Schwächen und nutzen diese als Anknüpfungspunkte. Im Sport können bestimmte Faktoren interpersoneller Gewalt begünstigen. In den einzelnen Sportarten gibt es verschiedene Risikofelder mit unterschiedlich hohem Risiko. Es sollen unterschiedliche Situationen betrachtet und das Risiko hinsichtlich auslösender Faktoren einer sexuellen Gefährdung von Kindern und Jugendlichen beurteilt werden. Bei Bedarf kann eine individuelle Risikoanalyse jeder einzelnen Abteilung zusammen mit der Beauftragten für Prävention vor sexualisierter Gewalt erarbeitet werden.

4.1 Körperkontakt

Fast in allen Sportarten kommt es zu Körperkontakt zwischen den Sportler/-innen oder zwischen Trainer/-in und Athlet/-in. Körperlicher Kontakt kann in vielen Situationen als Berührung mit sexuellem Hintergrund interpretiert werden oder mit Absicht erfolgen. In einigen Sportarten ist Körperkontakt in Form von Hilfestellung nötig, um die Sportart sicher ausführen zu können. Zudem wird in einigen Sportarten physiotherapeutisch behandelt. Massagen und andere therapeutische Behandlungen sind im Sport gang und gäbe und ohne Körperkontakt nicht möglich. Auch die durch Siege und Niederlagen ausgelösten Emotionen können in Körperkontakt münden, beispielsweise in Form des gemeinschaftlichen Jubelns über den errungenen Erfolg.

4.2 Infrastruktur

Im Bereich der Infrastruktur gibt es einige Faktoren, die interpersonelle Gewalt begünstigen. In den Sporthallen und Schwimmbädern ziehen sich die Sportler/-innen meist in Umkleideräumen um. Die Duschen sind nicht selten ohne Trennwände, sodass mit mehreren zusammen geduscht wird. Jede/r Athlet/-in hat heutzutage i.d.R. ein Handy, das sie/er auch mit zum Sport bringt. Es gibt zudem kaum noch Handys, die keine integrierte Kamera besitzen. Die Benutzung von Handys in den Umkleidekabinen sollte unterbunden werden, um mögliches Fertigen von Fotos oder Videos und die Verbreitung derer zu verhindern.

In vielen Sportarten finden Trainingscamps oder andere sportliche Events statt, bei denen die Sportler/-innen in Gemeinschaftsunterkünften oder gemeinsam mit vielen weiteren Personen in einem Raum nah nebeneinander schlafen. Die räumliche Nähe der Beteiligten und die Nachtstunden, in denen eine unbeobachtete Annäherung möglich ist, erhöhen das Risiko.

Die Anreise zu den Sportstätten stellt eine weitere Gefährdung dar, sobald das Kind oder die/der Jugendliche allein mit der/dem potenziellen Täter/-in fahren.

4.3 Besondere Abhängigkeitsverhältnisse

Kinder und Jugendliche haben ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis zu Trainern. Diese beurteilen die sportlichen Leistungen und entscheiden beispielsweise darüber, ob man in der Mannschaft eingesetzt wird oder auf die Ersatzbank muss. Angst vor negativen Entscheidungen kann ein wesentlicher Faktor dafür sein, dass Kinder und Jugendliche Belästigungen verschweigen. Beim Einzeltraining würde zudem bei einem Verdachtsfall das Weiterführen des Trainings gefährdet werden. Die Sportler/-innen wollen oft nicht riskieren, ihren sportlichen Status zu verlieren. Hierarchische Machtstrukturen im Sport erhöhen das Risiko des Schweigens. Im Leistungssport verbringen die Athlet/-innen und Trainer/-innen häufig viele Stunden in der Woche zusammen. Hier wird das Abhängigkeitsverhältnis noch eklatanter, da es noch mehr auf erbrachte Leistungen in Verbindung mit der Mannschaftsaufstellung ankommt. Zudem ist die Zahl der Situationen höher, die einen Übergriff begünstigen.

4.4 Soziale Medien

Durch die sozialen Medien fällt es den Täter/-innen leicht, privaten Kontakt zu den Kindern und Jugendlichen aufzunehmen. Im Umfeld vieler Sportgruppen bestehen WhatsApp-Gruppen, um einfacher miteinander kommunizieren zu können. Hier können die Handynummern ohne großen Aufwand entnommen und die Kinder und Jugendlichen auch privat kontaktiert werden. Der überwältigende Teil der Jugendlichen ist zudem auf Instagram, Facebook, Tictoc, Snap Chat und/oder anderen soziale Medien aktiv. Hier geben sie Informationen über sich preis und posten Bilder.

Auch über diese Kanäle kann privater Kontakt einfach aufgenommen oder Material generiert werden, mit dem sich Kinder und Jugendlich potenziell unter Druck setzen lassen. Durch die sozialen Medien kommt es immer häufiger zu sexuellen Nötigungen oder zu Verletzungen des höchstpersönlichen Lebensbereichs, indem Täter/-innen intime Bilder der Jugendlichen anfordern. Dieser Umstand könnte bei einem bestehenden Abhängigkeitsverhältnis zwischen Sportler/-innen und Trainer/-innen den Druck erhöhen, den Forderungen nachzukommen.

 

5. Konzept zum Schutz vor interpersoneller Gewalt

5.1 Leitbild

Der SBM folgt einer „Top-Down-Strategie“. Der Vorstand und alle Fachbereiche positionieren sich klar gegen sexualisierte Gewalt und kommunizieren dieses Credo nach innen und außen. Das Leitbild lautet: „Der SBM verurteilt jegliche Form von Gewalt, unabhängig davon, ob sie körperlicher, seelischer oder sexualisierter Art ist“.

5.2. Benennung von Ansprechpersonen

Der SBM hat Ansprechpersonen benannt (hier klicken), die für die Prävention vor interpersoneller Gewalt ehrenamtlich zur Verfügung stehen. Sie stehen für alle Fragen zu diesem Thema für Vereinsmitglieder, Trainer/-innen und Betreuer/-innen sowie für die Kinder und Jugendlichen und deren Angehörige zur Verfügung. Die Anfragen können anonym bleiben und werden in keinem Fall ohne das Einverständnis der kontaktierenden Person weitergegeben. Die Ansprechpersonen sind das Verbindungsglied zwischen den betroffenen Personen oder den Personen, die einen Verdachtsfall feststellen und dem Vereinsvorstand. Sie werden unterstützt von einem Netzwerk aus Fachleuten und werden regelmäßig zu diesem Thema geschult

5.3. Voraussetzungen für die Einstellung von Mitarbeitern

5.3.1 Ehrenkodex

Alle Mitarbeiter/-innen des Vereins unterschreiben den Ehrenkodex des Landessportbundes Nordrhein-Westfalen. Mit der Unterschrift des Ehrenkodex verpflichten sie sich, in Trainingseinheiten und Übungsstunden die ethischen und moralischen Grundsätze einzuhalten. Die Unterschrift an sich kann sexuelle Übergriffe nicht verhindern. Sie soll vielmehr ein Zeichen in Richtung potenzieller Täter/-innen sein, wie der SBM sich zu diesem Thema positioniert und dass die Aufmerksamkeit bezüglich dieses Themas hoch ist.

5.3.2 Erweitertes Führungszeugnis

Im Jahr 2022 wurden durch die §§ 30 a und 31 des Bundeszentralregisters (BZRG) das „erweiterte Führungszeugnis“ eingeführt. Dieses kann Personen ab 14 Jahren ausgestellt werden, die beruflich, ehrenamtlich oder in sonstiger Weise mit Kindern oder Jugendlichen arbeiten oder zukünftig arbeiten wollen.

Das erweiterte Führungszeugnis wird von jeder Person verlangt, die hauptberuflich oder ehrenamtlich im Kinder- und Jugendbereich tätig ist oder tätig werden soll. Eine kinder- und jugendnahe Tätigkeit kann immer dann angenommen werden, wenn es sich um eine berufliche oder ehrenamtliche Beaufsichtigung, Betreuung, Erziehung oder Ausbildung Minderjähriger handelt oder die Tätigkeit in einer vergleichbaren Weise geeignet ist, Kontakt zu Minderjährigen aufzunehmen. Grundsätzlich ist der Vorstand dafür zuständig, dass und wie die Vorgaben über die Einsichtnahme in das erweiterte Führungszeugnis eingehalten werden. Die Einsichtnahme erfolgt durch den Vorsitzenden oder seinem Vertreter im Amt, wobei die gesetzlichen Vorgaben hinsichtlich Durchführung und Datenschutz zu beachten sind. Das erweiterte Führungszeugnis soll regelmäßig vorgelegt werden. Beim SBM erfolgt die Vorlage alle fünf Jahre. Bei der Vorlage darf das Führungszeugnis nicht älter als drei Monate sein.

5.3.3 Einstellungsgespräche

Die Arbeit in einem Sportverein, Verband besonders in der Sportpraxis, wird zum Großteil ehrenamtlich ausgeführt, da hierfür meist nur eine geringe Entlohnung in Form einer Aufwandsentschädigung gezahlt werden kann. Die Sportvereine und auch Verbände sind auf ehrenamtliches Engagement angewiesen, vor allem im Bereich des Breitensports. Meist wird jedoch aufgrund dessen kein standardisiertes Bewerbungsverfahren durchgeführt oder nach Qualifikationen und Referenzen gefragt. Potenzielle Täter/-innen sehen keinen Anreiz in einer hohen Entlohnung. Sie suchen bewusst den Freizeitbereich, in dem viel mit Kindern und Jugendlichen gearbeitet wird. Um diese Täter zu identifizieren und zu stoppen, sollten gewisse Qualitätsstandards bei der Auswahl und Einstellung von Personal beachtet werden. Der SBM sieht sich in der Verantwortung, im Vorfeld möglichst viel über die/den neuen Bewerber/-in herauszufinden. Die Abteilungsleiter/-innen der einzelnen Sportarten sind hier ebenfalls in der Verantwortung, Gespräche mit Bewerber/-innen zu führen, besonders, wenn sie bisher noch kein Mitglied im SBM waren und daher vollkommen unbekannt sind. Inhalte der Gespräche sollten sein:

  • Prüfung von Qualifikationen und Lebenslauf
  • Eruieren von Motivation und Erfahrung
  • Herausgabe von Informationen zu den Standards zur Abschreckung (Ehrenkodex)
  • Erläuterung der Sensibilität für die Problematik sexualisierter Gewalt im Verein
  • Einarbeitung in die Abläufe in den Abteilungen/Sparten

5.4. Fortbildung und Kooperation mit Fachstellen

Die Ansprechpersonen für den SBM haben bereits Kontakt zu Fachreferentinnen z.B. des Landessportbundes NRW aufgenommen und haben bereits an Fortbildungen in diesem Bereich teilgenommen.

5.5 Partizipation

Kinder und Jugendliche sollen in Entscheidungen einbezogen werden, die sie betreffen. Dadurch wird die eigene Position der Kinder und Jugendlichen gestärkt und das Machtgefälle zwischen den Erwachsenen und Minderjährigen wird verringert. Unter Beteiligung von Kindern und Jugendlichen, aber auch der Eltern, sollten Verhaltensregeln abgestimmt werden.

Der SBM schlägt folgende Verhaltensregeln innerhalb des Verbands vor, die einen flexiblen Charakter haben und so jederzeit ergänzt oder verändert werden können.

DIE 10 SBM-VERHALTENSREGELN:

  1. Niemand wird zu einer Übung oder Haltung gezwungen.
  2. Wir verzichten auf sexistische und gewalttätige Äußerungen.
  3. Wir beobachten die Reaktionen unseres Gegenübers auf Körperkontakt und reagieren darauf. Wenn Kinder getröstet werden müssen, wird durch den Erwachsenen gefragt, ob es für das Kind in Ordnung ist, wenn man es tröstet und in den Arm nimmt. Das Anbringen von Wettkampfnummern wird, wenn möglich, von gleichgeschlechtlichen Trainer/-innen durchgeführt und nicht in Eins-zu-Eins- Situationen.
  4. Die/der Trainer/-in duscht und nutzt Umkleiden nicht mit den Kindern und Jugendlichen.
  5. Die Umkleidekabinen der Minderjährigen werden grundsätzlich nicht durch Erwachsene (Trainer oder Eltern) betreten. Sollte ein Betreten erforderlich sein, sollte es, wenn möglich, durch eine gleichgeschlechtliche Person sein, die die Regel „Erst Anklopfen oder rufen und die Kinder bitten sich etwas überzuziehen“ beachtet. Optimal sollte die Umkleidekabine zu zweit betreten werden (Vier-Augen-Prinzip). Ausgenommen sind Sportangebote, in denen Eltern ihren Kindern notwendigerweise beim Umkleiden helfen müssen. Das Geschlecht des erwachsenen Helfers bestimmt welche Umkleide genutzt werden darf.
  6. Die Trainings mit Kindern werden nach Möglichkeit von zwei Trainer/-innen gegeben, um das Vier-Augen-Prinzip zu wahren und die Aufsichtspflicht nicht zu verletzen. So kann immer ein/e Trainer/-in in der Halle sein, auch wenn ein Kind die Halle aus irgendeinem Grunde kurzzeitig verlässt. Einzeltrainings werden vorher abgesprochen und angekündigt (ggf. mit Betreuung durch Elternteil).
  7. In Übungsgruppen mit kleineren Kindern wird mit den Eltern vorher abgesprochen, wie die Trainer/-innen sich bei Toilettengängen verhalten sollen.
  8. Vereinsfahrten werden immer von mind. zwei Personen (geschlechterdifferent) betreut.

Dies können auch Eltern sein.

  1. Übernachtungen: Kinder und Jugendliche übernachten getrennt von Betreuer/-innen, Übungsleiter/-innen und/oder Trainer/-innen. Bei Fahrten wie bspw. Turnfesten übernachten bei Gruppenübernachtungen in Klassenräumen/Turnhallen nur gleiche Geschlechter.
  2. Die Regel für die Kinder und Jugendlichen untereinander lautet: „Ich tue keinem anderen etwas, was ich auch nicht will, das mir angetan wird.“

5.6 Präventionsangebote

Der SBM achtet darauf, dass das Recht auf Achtung der persönlichen Grenzen und auf Hilfe in Notlagen thematisiert und gelebt wird. Zusammen mit den Ansprechpersonen für die Prävention vor sexualisierter Gewalt arbeitet der SBM an Präventionsprojekten gegen sexualisierte Gewalt, die zukünftig vom Verband angeboten werden sollen und an denen Mädchen und Jungen teilnehmen können.

5.7 Informationen an die Hand geben

Auf der Internetseite des SBM wird Informationsmaterial zum Schutz vor interpersoneller Gewalt veröffentlicht. Zudem werden dort das Konzept zum Schutz vor sexualisierter Gewalt und Flyer (u.a. „Notfallplan“ und „Die 10 SBM-Verhaltensregeln“) zum Herunterladen eingestellt. Bei Bedarf können Informationsveranstaltungen für Erziehungsberechtige durch den Verband angeboten werden. Diese können in den einzelnen Abteilungen oder abteilungsübergreifend stattfinden.

5.8 Beschwerdeverfahren

Die Strukturen im SBM sollten allen transparent gemacht werden. Zuständigkeiten und Verantwortungsbereiche sollten vom Vorstand über Übungsleitungen bis hin zu allen Mitgliedern eindeutig geklärt sein und offen kommuniziert werden. Die Aufgaben, aber auch die Grenzen sollten nach innen und außen transparent sein. An der Vereinsstruktur können sich alle Mitarbeiter/-innen und Mitglieder orientieren, was die Kontaktaufnahme erleichtern und Hemmschwellen reduzieren soll.

5.9 Notfallplan

Emotionen wie Angst, Hilflosigkeit, Wut oder auch Ohnmacht können bei einer Konfrontation mit interpersoneller Gewalt ausgelöst werden. Die Trainer/-innen und Betreuer/-innen sollten über die Garantenpflicht in Kenntnis gesetzt werden, die die Verantwortlichen dazu verpflichtet bei einem Verdachtsfall handeln zu müssen. Es besteht keine Anzeigepflicht den Strafverfolgungsbehörden gegenüber, es besteht jedoch Handlungspflicht. Besonders wichtig ist es also, bei einem Verdachtsfall konkrete Schritte im Vorfeld abgestimmt zu haben, an denen man sich orientieren kann. Durch kompetente und durchdachte Herangehensweise werden so die Opfer bestmöglich geschützt.

Wenn man einen Verdacht hat, sollte man sich nicht dazu hinreißen lassen, den Fall aufdecken zu wollen. Ermittlungs- und Aufklärungsarbeit ist Sache der Polizei und der Staatsanwaltschaft. Deswegen sollte man auf ein „Verhör“ der Person verzichten und ebenso die/den „Täter/-in“ nicht zur Rede stellen. Außerdem sollten die Verdachtsfälle nicht an eine Vielzahl der Trainer/innen weitergegeben werden, vor allem nicht über die Abteilung oder Gruppe hinaus. Dies schafft nur Unsicherheit und fördert Gerüchte. Jede Maßnahme sollte mit der betroffenen Person abgesprochen werden.

Es besteht in Abstimmung mit dem Vorstand des SBM ein Notfallplan, der den hauptamtlichen und ehrenamtlichen Mitarbeiter/innen an die Hand gegeben werden soll. Dieser soll die Mitarbeiter/-innen ermutigen, nicht aus Unsicherheit wegzuschauen und bei einem Verdachtsfall Handlungssicherheit geben.

Wenn Grenzverletzungen oder unangemessenes Verhalten beobachtet werden, soll sofort gehandelt werden:

  1. Intervention: Wenn die Situation sicher ist, soll unmittelbar eingegriffen und versucht werden, die Grenzverletzung zu stoppen oder die betroffene Person aus der potenziell gefährlichen Situation zu bringen.
  2. Unterstützung bieten: Empathie zeigen und Unterstützung für die betroffene Person bieten. Aufmerksam zuhören und ermutigen und die betroffene Person ermutigen, über das Geschehene zu sprechen, wenn sie dazu bereit ist.
  3. Vertrauen: Zusage geben, dass alle weiteren Schritte nur in Absprache erfolgen (z.B. Information an die Eltern), nicht „über den Kopf“ der Kinder und Jugendlichen entscheiden, die Kinder und Jugendlichen in alle Handlungsschritte einbinden.
  4. Dokumentation und Feststellung: Zeitpunkt, Art der Feststellungen bzw. wörtlicher Inhalt der Information (ohne Interpretation und Nachfrage).
  5. Melden: Der Vorfall soll umgehend den dafür zuständigen Ansprechpersonen oder Institutionen gemeldet werden. Dies ist entscheidend, um eine angemessene Untersuchung und Maßnahmen zur Prävention sicherzustellen. Die Ansprechpersonen werden entsprechend der Sachlage weitere Schritte.

 

5.10 Hilfe und Beratungsstellen

Im Fall von Grenzverletzungen oder unangemessenes Verhalten gibt es verschiedene Ansprechpersonen und Stellen, an die sich die Betroffenen wenden können. Primär sind das die Ansprechpersonen des Schwimmbezirks Mittelrhein, aber auch diverse weitere Anlaufstellen. Diese sind hier aus der Homepage des SBM aufgelistet.

 

6. Schlussbemerkung

Mit dem vorliegenden Konzept zum Schutz vor interpersoneller Gewalt im Sportverein, soll konkret im SBM über den gesetzlich und fachverbandlich vorgeschriebenen Rahmen hinaus Präventionsarbeit im Kinderschutz geleistet werden. Warum dies so wichtig ist, dürften die vorangegangenen Ausführungen hinreichend dargelegt haben. In der Hoffnung, dass sich keine respektive möglichst wenige begründete Verdachtsfälle ergeben, will der SBM künftig nach der Maxime handeln, dass jeder einzelne Fall, der durch das zusätzliche Engagement im Bereich des Kinder- und Jugendschutzes vor sexualisierter oder anderer Gewalt aufgedeckt werden kann, das Engagement als solches rechtfertigt.

Als freier Träger der Jugendhilfe sind Sportvereine und Verbände bereits per definitionem in der Pflicht, der Jugend als einer ihrer wichtigsten Ziel- und Förderungsgruppe zu helfen. Diese Hilfe beginnt und endet dabei nicht damit, Kinder und Jugendliche zu möglichst großen sportlichen Erfolgen zu bringen oder sie in ihrer motorischen Entwicklung zu fördern. Vielmehr reicht die Verantwortung von Vereinsvertreter/-innen, Trainer/-innen und Betreuer/-innen in Sportvereinen und Verbänden auch tief in den sozialen Bereich hinein. Neben der Verbesserung gesundheitlicher, motorischer oder athletischer Aspekte, haben Sportvereine besonders im Kinder- und Jugendbereich ebenso die Aufgabe, durch das Vorlegen von Werten an der Erziehung von Kindern und Jugendlichen hin zu einem sozialen Menschen beizutragen.

Dem diametral entgegen würde es stehen, würden Sportorganisationen die Ausübung von Gewalt – ganz gleich welcher Natur – gegenüber Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen tolerieren oder billigend in Kauf nehmen ohne (selbstredend im Rahmen der eigenen Möglichkeiten) aktiv gegen sie vorzugehen. Mit der Umsetzung des vorliegenden Konzeptes will der SBM weitere Schritte in die Aktivität bei der Bekämpfung von interpersoneller Gewalt gegenüber Kindern und Jugendlichen gehen – in dem Wissen, dass die praktische Umsetzung aller Elemente des Konzeptes nur nach und nach erfolgen kann und es seine volle Wirkung erst mit dem Verlauf der nächsten Monate und Jahre wird entfalten können.